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1690 - 1815
Am französischen Hof
Das Schweizer Garderegiment

Nach dem Tod von Aeneas MacKay im Jahre 1685 scheinen seine Freunde munter weitermusiziert zu haben. Namentlich bekannt aus diesem Kreis ist beispielsweise Tobias Im Thurn aus Schaffhausen (1662 – 1734) und vor allem sein Sohn Johann Ulrich (1693 – 1768). Vater und später auch Sohn Im Thurn dienten unter Louis XiV. und Louis XV. als Tambourenunteroffiziere beim Schweizer Garderegiment am Hof der französischen Könige.

Charles Edward Stuart und sein Schweizer Gardemajor

1720 trat Johann Ulrich Im Thurn als Sergent-Tambour de la Garde in französische Dienste. Er diente 25 Jahre und beendete seine militärische Karriere 1745 im Range eines Majors. Die Schweizer Gardisten pflegten enge Beziehungen zur Garde Écossaise, der schottischen Leibwache des Königs. Am Hofe sehr populär waren denn auch die musikalischen Auftritte der Garde-Piper gemeinsam mit den Schweizer Tambouren. Von Johann Ulrich Im Thurn ist bekannt, dass er einerseits schottische Drummers im Trommelspiel unterrichtete und andererseits, zusammen mit ein paar Freunden, selber zum begeisterten Dudelsackspieler wurde. 

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Johann Ulrich Im Thurn , 1740

Soldats du Régiment des Gardes Suisses

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Ende 1746 erhielt die Garde Ecossaise eine neuen Kommandanten: Donald Cameron of Lochiel, legendärer Clan Chief der Camerons und überzeugter Jakobit. In der Schlacht von Culloden im April entging er knapp dem Tod und gelangte im September 1746 gemeinsam mit Charles Edward Stuart, „Bonnie Prince Charlie“, auf wundersame Weise nach Frankreich. Über Lochiel lernte im Thurn bald auch Charles Edward Stuart kennen.

In jakobitischen Kreisen genoss Lochiel höchsten Respekt, schliesslich war es im Wesentlichen er, der die Highland Clans 1745 dazu brachte, sich gemeinsam für die Sache der Stuarts zu erheben. In politischen Belangen war er eher unbedarft und so wurde nicht Lochiel, sondern Johann Ulrich Im Thurn Paris zum politischen Berater Charles Edward Stuarts. Unter anderem sprach Im Thurn spanisch, und das war ganz wichtig auf der Suche auch nach spanischer Unterstützung für die Restitution der Stuart-Monarchie. Genauso wie der junge Stuart schätzte Im Thurn die Gegenwart von schönen Frauen - und einen Tropfen guten französischen Rotweins. Ob Charles Edward Stuart den Klang des schottischen Dudelsacks genau so liebte, wie Johann Ulrich Im Thurn, ist nicht bekannt. Interessant ist aber, dass sich Johann Ulrich Im Thurn zu einer Art Schweizer Jakobit entwickelte, wie der rege Briefwechsel Im Thurns mit seiner Schwester Dorothea in Schaffhausen zeigt.

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Donald Cameron of Lochiel

Begleitet von Johann Ulrich Im Thurn reiste Charles Edward Stuart 1750 nach England und verbrachte eine Woche inkognito in London, händeringend auf der Suche nach Unterstützung durch englische Jakobiten. Die Reise, so mutig wie sie erscheint, war politisch ein kompletter Fehlschlag.

In den folgenden Jahren zog Charles Edward Stuart rastlos durch Europa. Zum letzten Mal trafen sich Im Thurn und der Prinz im Hotel Les Trois Rois in Basel im Oktober 1754, wo Charles für einige Zeit zusammen mit seiner Geliebten Clementina Walkinshaw und der gemeinsamen zweijährigen Tochter Charlotte unter den falsche Namen Dr. & Mrs. Thompson logierte. Der glücklose Prinz, überall englische Agenten fürchtend, hatte resigniert und war vollends zum Trinker geworden. Verarmt und völlig vereinsamt starb Charles Edward Stuart 1788 in Rom. 

Charles Edward Stuart, ca. 1785

Ein Stück höfische Musik in Schaffhausen

Johann Ulrich Im Thurn verbrachte seinen Lebensabend in seiner alten Heimatstadt. Zeitlebens war er ein grosser Freund höfischer Musik. Die in Schaffhausen an Munot-Bällen heute noch getanzte Quadrille geht auf Melodiefragmente zurück, welche die Im Thurns vom französischen Hof nach Schaffhausen brachten. Auch Johann Ulrich Im Thurns Sohn Johann Rudolf (1722 – 1792) trat in dritter Generation als Gardeoffizier in französische Dienste. Johann Ulrich Im Thurn  verstarb 1759 in Schaffhausen.

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Abendunterhaltung auf dem Munot: die Quadrille

Fertig lustig

Auf die Im Thurns folgte eine Art musikalische Leerphase. Die als Helvetik bekanntgewordene Zeit von 1798 bis 1815 war eher düster und bot wenig Anlass zu unbeschwertem Musizieren. In der Region herrschte Armut und Hunger. 1798/99 zogen französische und österreichisch-ungarische Truppen durch unsere Gegend und rekrutierten unter Zwang junge Männer zum Kriegsdienst. 

Unter französischem Druck war die damals an sich populäre preussische oder britische Marschmusik - dazu zählte auch jegliche Art von Dudelsackmusik, auch im privaten, ausdrücklich verboten. Es hatte im wahrsten Sinne des Wortes Ruhe zu herrschen. Ausser an katholischen Feiern, denn diese mussten von der französischhörigen Obrigkeit ausdrücklich gefördert werden, und da soll durchaus mal ein Dudelsack erklungen sein.

Zu neuen Aktivitäten und einer Renaissance unserer Musik sollte es erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts kommen, und dies hing eng damit zusammen, wie sich Schaffhausen und Neuhausen zu bedeutenden Industriestädten entwickelten.

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