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1633
Aeneas MacKay und Piraten auf dem Bodensee

Unsere Geschichte beginnt so um 1633. Der Dreissigjährige Krieg erreichte den Bodensee. Das protestantische Herzogtum Württemberg versuchte mit schwedischer und französischer Hilfe, den katholischen Habsburgern die Vorherrschaft in unserem Raum zu entreissen. Die eidgenössischen Stände, teils katholisch - St. Gallen - teils protestantisch - Zürich und Schaffhausen - verhielten sich neutral. Das heisst: die einen halfen den Protestanten, die anderen den Katholiken. Am besten gleich beiden, denn das war besser fürs Geschäft. Keinesfalls wollte man aber ins Kriegsgeschehen hineingezogen werden, denn nichts fürchtete man mehr, als Horden von hungernden, brandschatzenden und mordenden Söldnern vor den eigenen Toren.

Auf die katholische Bischofsstadt Konstanz hatten die Württemberger wegen ihrer strategischen Lage ein besonderes Auge geworfen. Im September 1633 schlossen die schwedisch-württembergischen Truppen einen Belagerungsring um Konstanz. Einem formell französisch-katholischen, nominell aber dem schwedischen General Gustav Horn unterstellten und besonders kampfstarken protestantischen Regiment, nämlich dem schottischen „Royal Regiment of Foote" unter Sir John Hepburn, kam auf protestantischer Seite bei der Belagerung eine Schlüsselrolle zu.

Belagerung von Konstanz 1633

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Warum überhaupt schottische Krieger bei uns? Politik im 17. Jahrhundert ging so: König Charles I. von England und Schottland überliess sein Leibregiment dem befreundeten katholischen französischen König Ludwig XIII., welcher es seinerseits den protestantischen Würtembergern unter schwedischem Kommando zum Kampf gegen die katholischen Habsburger, die Erzfeinde des französischen Königs, zur Verfügung stellte.

Das mächtige schottische Regiment umfasste etwa 3'500 Mann (und bestand mit ununterbrochener Tradition bis in die neueste Zeit als "The Royal Scots (The Royal Regiment)", aber dazu später).

1633 bestand diese Truppe vor allem aus zwangsrekrutierten Schotten vom Clan MacKay aus Sutherland, im höchsten Norden des Landes. Darum wurde dieses schottische Kontingent auch"MacKay's Regiment on Foote" genannt. Militärische Strukturen folgten bei den Schotten zu jener Zeit den klassischen Clan-Linien. Dies erklärt, warum allein schon die MacKays 1631 mit über 3'000 Soldaten und insgesamt 36 Pipers und über 100 Drummers in den Krieg zogen. Nur zwei Jahre später waren alle Piper tot – bis auf Einen.

Und der hiess Aeneas MacKay, mit vollem Namen Aeneas Seamus MacKay of Banakeil (*1613 Durness, Schottland, †1685 Langwiesen). Als die Belagerung von Konstanz begann, waren er und drei seiner Freunde die letzten überlebenden Dudelsackspieler des ursprünglichen MacKay-Kontingentes. Ihre Hauptfeinde waren nicht die kaiserlichen Truppen, sondern Krankheit, Hunger, Kälte, Frust und Langeweile – und oft die eigenen Vorgesetzten.

Clan MacKay

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Im Oktober 1633 und vermutlich eher dem eigenen Übermut als militärischer Logik gehorchend, kaperte ein Trupp seeerfahrener MacKays, darunter unsere vier Piper, mit grossem Getöse knapp vor Meersburg zwei kaiserliche Versorgungsboote auf ihrer Fahrt von Konstanz nach Lindau. Die Schiffe hatten Wein und Schnaps geladen, mit der Absicht, diese Güter in Lindau gegen Schwarzpulver und Mehl zu tauschen.

Bodensee-Lädine, 17. Jahrhundert

Vor Meersburg habe sich bald eine regelrechte Seeschlacht abgespielt, mit Kanonendonner, rauchenden Pistolen und Schwertgeklirre, berichtet ein Chronist. Es war die erste und einzig grössere auf dem Bodensee seit der Römerzeit. Die leichte, aber etwas spezielle Beute muss den Schotten die Sinne vernebelt und den Blick wohl auch etwas getrübt haben: im Schutze der einsetzenden Dämmerung gelang es einem kanonenbestückten kaiserlichen Jagdboot, die kleine Flottille auf dem Rückweg Richtung Konstanz vor der Insel Mainau zum Kampf zu stellen. Was nun folgte, war ein Gemetzel: drei Ladinen wurden versenkt, der grösste Teil der schottischen Besatzungen – im Prinzip waren das ja Piraten – kam dabei ums Leben, denn Gefangene wurden auf dem See keine gemacht.

Aeneas MacKay gelang es als Einzigem, sich ans Ufer zu retten. Zu Fuss versuchte er, sich in Richtung Konstanz durchzuschlagen. Er mied den direktem Weg, denn er wollte keinesfalls kaiserlichen Patrouillen in die Hände fallen, welche ihn am nächsten Baum aufknüpfen würden. So wählte er den längeren Weg über Bodman. Irgendwo am Ufer fand er ein Fischerboot, ruderte in den Untersee hinaus und schlief völlig erschöpft ein.  Das Glück blieb ihm hold: Wind und Strömung trugen ihn nach Westen, so dass er den Untersee hinunter trieb und schliesslich auf der Insel Werd, kurz vor Stein am Rhein, strandete (er trieb auch nicht bis über den Rheinfall, denn das wäre eine ganz andere Geschichte).

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Werd-Inseln, Stein am Rhein

1635 – 1685
Enas Mäcky, Piper, Musiklehrer und Munot-Baumeister

Vom Krieg hatte Aeneas die Nase voll. Sein Name taucht bald im Zusammenhang mit einer Wirtshausrauferei in einem Schaffhauser Gerichtsurteil vom Mai 1634 auf, lautmalerisch eingedeutscht als "Enas Maecky". Weil er offenbar mittelllos war und keinen Fürsprecher fand, wurde er zu sechs Monaten Fronarbeit auf dem Annot, dem Munot, verurteilt. Auf die Frage der Richter, warum er überhaupt nach Schaffhausen gekommen sei, soll er geantwortet haben: "um als fryer Swyzer ein anstendig Leben zu füren!".

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Schaffhausen 1638

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Munot-Caponnière, Schaffhausen

Als ursprünglich gelernter Steinmetz mit Lehrjahren in Edinburgh und Florenz scheint er seine Sache auf dem Munot jedenfalls so gut gemacht zu haben, dass er noch im selben Jahr eine dauerhafte Anstellung bei den gnädigen Herren zu Schaffhausen fand. Bereits ab 1635 war er als Munot-Baumeister für die Erstellung der Caponnièren im Munotgraben verantwortlich. Auch tragen einige besonders gelungene unter den insgesamt über 170 Erkerm in der Schaffhauser Altstadt seine schottisch-italienische Handschrift, so zum Beispiel der vermutlich prächtigste Erker der Stadt am Haus "zum goldenen Ochsen".

Als praktizierender Katholik hatte er es in Schaffhausen zu jener Zeit nicht leicht. Die wenigen Katholiken besassen nach den Reformationswirren kein eigenes Gotteshaus mehr. Messen und kirchliche Feiern waren zwar geduldet, mussten aber an Orten stattfinden, wo keine Orgel zur Verfügung stand. Ihren Part übernahm offenbar MacKay und zwei Freunde auf ihren Dudelsäcken, der irisch-stämmige Pastor auf der Flöte und ein Italiener auf der Fiedel. Grössere Ansammlungen ohne obrigkeitliches Plazet waren streng verboten. Erstaunlich sei aber gewesen, dass zu manchen katholischen Feiern wesentlich mehr Menschen erschienen, als Schaffhausen überhaupt Katholiken zählte, was nur mit der wunderbaren Musik MacKays und seiner Freunde zu erklären ist.

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"Zum goldenen Ochsen", Vorstadt, Schaffhausen

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Tatsächlich besass MacKay eine besondere Fähigkeit, seine Musikbegeisterung auf andere Menschen übertragen zu können. Er baute Musikinstrumente, er unterrichtete, er schrieb Lieder und er dirigierte eine Art von kirchlichem Orchester.

Sogar militärische Tambouren wurden von ihm auf der kleinen Trommel, ähnlich der heutigen Snare Drum, ausgebildet. Die Begeisterung für seine Art der Musik scheint jedenfalls über eine ziemlich breite Anhängerschaft verfügt zu haben, so dass der Grosse Rat auf Anregung von Enas Mäckyim August 1638 in Erwägung zog, die angestammten und eher minderwertigen Ordonnanzblechinstrumente des Schaffhauser Milizregimentes durch Dudelsäcke (Pipes) und kleine Trommeln (Snare Drums) zu ersetzen.

Genügend willige und fähige Musikanten scheint er jedenfalls gefunden zu haben, denn der sonst fällige Dienst an der Waffe – Schwert, Hellebarde oder Kanone – war schon damals eher unbeliebt. Fakt ist: dazu kam es nicht. Die Räte, von Sparzwängen gebeutelt (und der Eine oder Andere wohl auch von Neid getrieben), taxierten die zur Umrüstung benötigten Mittel von 325 Gulden und 15 Schilling als "unstatthaft", der Antrag wurde abgeschrieben und so blieb alles beim Alten.

MacKays Musikbegeisterung scheint dies jedenfalls keinen Abbruch getan zu haben. Militärisches Spiel war für ihn ohnehin nur Mittel zum Zweck. Mehrmals wöchentlich soll er mit Freunden in Wirtsstuben musiziert haben. Er machte Unterhaltungsmusik, könnte man sagen. In seiner bescheidenen Hinterlassenschaft finden sich einige melancholische Weisen, zu denen auch oft getanzt wurde. Zwei andere Musikstücke, die man aus heutiger Sicht als "Jig" bezeichnen könnte, scheinen stark geprägt von einem engen irischen Freund mit Namen Patrick Byrne, welche lange Jahre als Pastor für die kleine katholische Gemeinde wirkte.

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MacKays grösste musikalische Hinterlassenschaft ist aber ein Musikfragment zu einem Kirchenlied, dessen Melodie heute wohl jeder kennt, obwohl kaum jemand weiss, welche Wurzeln es tatsächlich hat: die Melodie zum Lied "Das Munotglöcklein". Der Liedtext  wurde übrigens erst 1911 von Ferdinand Buomberger im schönsten Jugendstil-Pathos verfasst:

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Bekannt ist dass MacKay irgendwann um 1640 im katholischen Ritus heiratete. Im bloss in Teilen erhaltenen katholischen Kirchenbuch der Stadt – ein offizielles durfte es mangels einer geweihten Kirche gar nicht geben – lassen sich indes keine verlässlichen Aufzeichnungen finden, was auf die sehr unterschiedlichen Ruf- und Schreibweisen seines Vor- und Nachnamens zurückzuführen ist. Er muss aber Kinder gehabt haben – es wird von Musikvorträgen "mit seyner ganzen Blootere" (mit Frau und Kindern) berichtet. Über seine direkte Nachkommenschaft ist jedenfalls nichts Belegbares bekannt. Enas Mäcky starb 1685 als respektierter Stadtbürger. Als stolzer und "fryer Swyzer" - so wie er sich das immer gewünscht hatte.

Um 1570 entstand in Schaffhausen diese Teigform, vermutlich für einen Honigtirggel: ein dudelsackspielender Esel mit einem dritten Auge und einer Distel. In der Mythologie steht der Esel nicht für Dummheit, sondern für Genügsamkeit und Geduld, das Auge für Helligkeit, alles sehend und Weisheit, und die Distel für Abwehr, Unabhängigkeit und Wahrhaftigkeit - und sie ist die Nationalblume Schottlands.
Wer weiss mehr?

So verliert sich die Geschichte von Enas Mäcky im Dunkel des Barocks. Sie reisst aber nicht ganz ab, denn rund zweihundert Jahre später entwickelte sich aus einer unglaublichen Namensgleichheit eine neue geschichtliche Linie, und die ist eng mit der Schaffhauser Industriegeschichte verbunden. Aber dazu später.

Enas Mäcky begründete zwar eine gewisse Dudelsacktradition in unserer Gegend, er war aber nicht der erste Dudelsackspieler. Wer das genau war, lässt sich natürlich nicht belegen. 

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Sammlung Schweizerisches Nationalmuseum

1633
Aeneas MacKay und die Piraten auf dem Bodensee

Unsere Geschichte beginnt so um 1633, mitten im Dreissigjährigen Krieg. In diesem Jahr erreichte der Krieg den Bodensee. Das protestantische Herzogtum Württemberg versuchte mit schwedischer und französischer Hilfe, den katholischen Habsburgern die Vorherrschaft in unserem Raum zu entreissen. Die eidgenössischen Stände, teils katholisch - St. Gallen - teils protestantisch - Zürich und Schaffhausen - verhielten sich neutral. Das heisst: die einen halfen den Protestanten, die anderen den Katholiken. Am besten gleich beiden, denn das war gut fürs Geschäft. Keinesfalls wollte man aber ins Kriegsgetümmel hineingezogen werden, denn nichts fürchtete man mehr, als Horden von hungernden und brandschatzenden Söldnern vor den eigenen Toren.

Die Belagerung von Konstanz 1633

Wegen ihrer startegischen Lage hatten die Württembeger auf die katholische Bischofsstadt Konstanz ein besonderes Auge geworfen. Im September 1633 schlossen die schwedisch-württembergischen Truppen einen Belagerungsring um die Stadt. Einem formell französisch-katholischen, nominell aber dem schwedischen General Gustav Horn unterstellten und besonders kampfstarken protestantischen Regiment, nämlich dem schottischen Royal Regiment of Foote unter Sir John Hepburn, kam auf protestantischer Seite bei der Belagerung eine Schlüsselrolle zu.

Belagerung von Konstanz 1633

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Warum überhaupt schottische Soldaten bei uns? Politik im 17. Jahrhundert ging so: König Charles I. von England und Schottland überliess sein Leibregiment dem befreundeten katholischen französischen König Ludwig XIII., welcher es seinerseits den protestantischen Würtembergern unter schwedischem Kommando zum Kampf gegen die katholischen Habsburger, die Erzfeinde des französischen Königs, zur Verfügung stellte.

MacKay's Regiment on Foote

Das mächtige schottische Regiment umfasste etwa 3'500 Mann (und bestand mit ununterbrochener Tradition bis in die neuere Zeit als The Royal Scots (The Royal Regiment), aber dazu später).

1633 umfasste diese Truppe vor allem zwangsrekrutierte Schotten vom Clan MacKay aus Strathnaver, dem kahlen Nordwesten Sutherlands. Darum wurde dieses schottische Kontingent auch MacKay's Regiment on Foote genannt. Militärische Strukturen folgten bei den Schotten zu jener Zeit den klassischen Clan-Linien. Dies erklärt, warum allein schon die MacKays 1631 mit über 3'000 Soldaten, 36 Pipers und über 100 Drummers in den Krieg zogen. Nur zwei Jahre später waren alle Piper tot – bis auf Vier.

Einer dieser Vier hiess Aeneas MacKay, mit vollem Namen Aeneas Seamus MacKay of Banakeil (*1613 Durness, Schottland, †1685 Langwiesen ZH). Er lernte das Dudelsackspie bei seinem Onkel Angus MacKay, Pipe Master und verschwägert mit den legendären MacCrimmons von der Insel Skye. Als die Belagerung von Konstanz begann, waren Aeneas und drei seiner Freunde die letzten überlebenden Dudelsackspieler des ursprünglichen MacKay-Kontingentes. Ihre Hauptfeinde waren nicht die kaiserlichen Truppen, sondern Krankheit, Hunger, Kälte, Frust und Langeweile – und oft die eigenen Vorgesetzten.

Clan MacKay

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Raubzug auf dem Bodensee

Im Oktober 1633, und vermutlich eher dem eigenen Übermut als militärischer Logik folgend, kaperte ein Trupp seeerfahrener MacKays, darunter unsere vier Piper, mit grossem Getöse knapp vor Meersburg zwei kaiserliche Versorgungsboote bei deren Versuch, die schwedische Blockade zu durchbrechen. Die Schiffe hatten Wein und Schnaps geladen, mit dem Ziel, diese Güter im kaiserlichen Lindau gegen Schwarzpulver und Mehl zu tauschen.

Bodensee-Lädine, 17. Jahrhundert

Vor Meersburg habe sich alsbald eine regelrechte Seeschlacht abgespielt, mit Kanonendonner, rauchenden Pistolen und Schwertgeklirre, berichtet ein Chronist. Es war die erste und einzig grössere auf dem Bodensee seit der Römerzeit. Die Schotten machten leichte Beute. Der eroberte Alkohol muss ihnen aber wohl die Sinne vernebelt und den Blick getrübt haben: im Schutze der einsetzenden Dämmerung gelang es einem kanonenbestückten kaiserlichen Jagdboot, die kleine Flottille auf dem Rückweg in Richtung Konstanz vor der Insel Mainau zum Kampf zu stellen. Was nun folgte, war ein Gemetzel: drei Ladinen wurden versenkt, der grösste Teil der schottischen Besatzungen – im Prinzip waren das ja Piraten – kamen dabei ums Leben. Gefangene wurden in diesem Krieg keine gemacht.

Einzig Aenas MacKay gelang es, sich ans Ufer zu retten. Zu Fuss versuchte er, sich in Richtung Konstanz durchzuschlagen. Nicht auf direktem Weg, denn er wollte keinesfalls kaiserlichen Patrouillen in die Hände fallen – welches Schicksal ihm dabei drohte, war ihm klar. So wählte er den längeren Weg über Bodman. Irgendwo am Ufer schnappte er sich ein Fischerboot, ruderte in den Untersee hinaus und schlief völlig erschöpft ein. Das Glück verliess ihn nicht: Wind und Strömung trugen ihn nach Westen, sodass er den Untersee hinunter trieb und schliesslich auf der Insel Werd, kurz vor Stein am Rhein strandete (er trieb auch nicht bis über den Rheinfall, das ist ein andere Geschichte).

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Werd-Inseln, Stein am Rhein

1635 – 1685
Ignazius Mäcky, Piper, Musiklehrer und Munot-Baumeister
Ein Schotte in Schaffhausen

Vom Krieg hatte Aeneas die Nase voll. Sein Name taucht aber bald im Zusammenhang mit einer Wirtshausrauferei in einem Schaffhauser Gerichtsurteil vom Mai 1634 auf, lautmalerisch eingedeutscht als Ignaz Maecky. Weil er offenbar mittellos war und keinen Fürsprecher fand, wurde er zu neun Monaten Fronarbeit auf dem Annot, dem Munot, verurteilt. Auf die Frage der Richter, warum er überhaupt nach Schaffhausen gekommen sei, soll er geantwortet haben: "um als fryer Swyzer ein anstendig Leben zu füren!".

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Schaffhausen 1638

Landsknechte_edited_edited_edited.jpg
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Munot-Caponnière, Schaffhausen

Der Munot-Baumeister

Als ursprünglich gelernter Steinmetz mit Lehrjahren in Edinburgh und Catania scheint er seine Sache auf dem Munot jedenfalls so gut gemacht zu haben, dass er noch im selben Jahr eine dauerhafte Anstellung bei den Gnädigen Herren zu Schaffhausen fand. Bereits ab 1635 war er als Munot-Baumeister für die Erstellung der Caponnièren im Munotgraben verantwortlich. Auch tragen einige besonders gelungene der insgesamt über 170 Erker in der Schaffhauser Altstadt seine schottisch-italienischHandschrift, so zum Beispiel der vermutlich prächtigste Erker der Stadt am Haus "zum goldenen Ochsen"Es war einer der letzten aus seiner Hand. Innen brachte er seinen persönlichen Leitspruch an: "Nondum ultimum sit" - es soll nicht der Letzte sein. (1)

Als praktizierender Katholik hatte er es Aenas MacKay zu jener Zeit in Schaffhausen nicht leicht. Nach den Reformationswirren besassen die wenigen Katholiken kein eigenes Gotteshaus mehr. Messen und kirchliche Feiern waren zwar geduldet, mussten aber an Orten stattfinden, wo keine Orgel zur Verfügung stand. Ihren Part übernahm offenbar MacKay und zwei Freunde auf ihren Dudelsäcken, begleitet vom irisch-stämmigen Pastor auf der Flöte und einem Italiener auf der Fiedel. Grössere Versammlungen ohne obrigkeitliches Plazet waren streng verboten. Erstaunlich sei aber gewesen, dass zu manchen katholischen Feiern wesentlich mehr Menschen erschienen, als Schaffhausen überhaupt Katholiken zählte, was nur mit der wunderbaren Musik MacKays und seiner Freunde zu erklären ist.

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"Zum goldenen Ochsen", Vorstadt, Schaffhausen

Musiker, Instrumentenbauer und Dirigent

Tatsächlich besass MacKay die besondere Gabe, seine grosse Musikbegeisterung mit Leichtigkeit auf andere Menschen übertragen zu können. Er baute Musikinstrumente, er unterrichtete, er schuf Lieder und er dirigierte eine Art von kirchlichem Orchester.

Sogar militärische Tambouren wurden von ihm auf der kleinen Trommel, ähnlich der heutigen Snare Drum, ausgebildet. Die Begeisterung für seine Art der Musik scheint auch über eine ziemlich breite Anhängerschaft verfügt zu haben, so dass der Grosse Rat auf Anregung von Ignaz Mäcky im August 1638 in Erwägung zog, die angestammten, eher minderwertigen Ordonnanzblechinstrumente des Schaffhauser Milizregimentes durch Dudelsäcke (Bagpipes) und kleine Trommeln (Snare Drums) zu ersetzen.

Genügend willige und fähige Musikanten scheint Mäcky jedenfalls gefunden zu haben, denn der sonst fällige Dienst an der Waffe – Schwert, Hellebarde oder Kanone – war schon damals eher unbeliebt. Fakt ist: dazu kam es nicht. Die Räte, von Sparzwängen gebeutelt (und der Eine oder Andere wohl auch etwas von Neid geblendet), taxierten die zur Umrüstung benötigten Mittel von 325 Gulden und 15 Schilling als "unstatthaft" ein. Der Antrag wurde abgeschrieben und so blieb alles beim Alten.

MacKays Musikbegeisterung scheint dies aber keinen Abbruch getan zu haben. Militärisches Spiel war für ihn ohnehin nur Mittel zum Zweck. Mehrmals wöchentlich soll er mit Freunden in Wirtsstuben musiziert haben. Er machte Unterhaltungsmusik, könnte man sagen. In seiner bescheidenen Hinterlassenschaft finden sich einige melancholische Weisen, zu denen auch oft getanzt wurde. Zwei andere Musikstücke, die man aus heutiger Sicht als "Jig" bezeichnen könnte, scheinen stark geprägt von einem engen irischen Freund mit Namen Patrick Byrne, welche lange Jahre als Pastor für die kleine katholische Gemeinde wirkte.

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"De doedelzackspeler", Hendrick ter Brugghen, 1624

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Das Munotglöcklein

MacKays grösste musikalische Hinterlassenschaft ist aber ein Musikfragment zu einem Kirchenlied, dessen Melodie heute wohl jeder kennt, obwohl kaum jemand weiss, welche Wurzeln es tatsächlich hat: die Melodie zum Lied Das Munotglöcklein. Der Liedtext  wurde übrigens erst 1911 von Ferdinand Buomberger im schönsten Jugendstil-Pathos verfasst:

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Bekannt ist, dass MacKay irgendwann um 1640 im katholischen Ritus heiratete. Im bloss in Teilen erhaltenen katholischen Kirchenbuch der Stadt – ein offizielles durfte es mangels einer geweihten Kirche gar nicht geben – lassen sich indes keine verlässlichen Aufzeichnungen finden, was auf die sehr unterschiedlichen Ruf- und Schreibweisen seines Vor- und Nachnamens zurückzuführen ist. Er muss aber Kinder gehabt haben, denn es wird von Musikvorträgen "mit seyner ganzen Blootere" (mit Frau und Kindern) berichtet. Über seine direkte Nachkommenschaft ist jedenfalls nichts Belegbares bekannt. Ignaz Mäcky starb 1685 als respektierter Stadtbürger. Als stolzer und "fryer Swyzer" - so wie er sich das immer gewünscht hatte.

(1)  Den Leitspruch " Ulitmum nondum sit" haben wir zum Motto unserer Pipes & Drums - Formation gewählt.

Um 1570 entstand in Schaffhausen diese Teigform, vermutlich für einen Honigtirggel: ein dudelsackspielender Esel mit einem dritten Auge und einer Distel. In der Mythologie steht der Esel nicht für Dummheit, sondern für Genügsamkeit und Geduld, das Auge für Helligkeit, alles sehend und Weisheit, und die Distel für Abwehr, Unabhängigkeit und Wahrhaftigkeit - und sie ist die Nationalblume Schottlands.
Wer weiss mehr?

So verliert sich die Geschichte von Ignaz Mäcky im Dunkel des Barocks. Sie reisst aber nicht ganz ab, denn rund zweihundert Jahre später entwickelte sich aus einer unglaublichen Namensgleichheit eine neue geschichtliche Linie, und die ist eng mit der Schaffhauser Industriegeschichte verbunden. Aber dazu später.

Ignaz Mäcky begründete zwar eine gewisse Dudelsacktradition in unserer Gegend, er war aber nicht der erste Dudelsackspieler. Wer das genau war, lässt sich natürlich nicht belegen. 

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Sammlung Schweizerisches Nationalmuseum

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