Clumsy Lover
2/4
Neil Dickie
Clumsy Lover steht für einen Dudelsackstil, welcher so ziemlich die weitest mögliche Distanz zum langsam gespielten Pibroch einerseits und der militärisch geprägten britischen Marschmusik andererseits markiert. Clumsy Lover ist formell auch kein schottisches, sondern ein kanadisches Tune, komponiert von Neil Dickie, einem kreativen schottlandstämmigen Kanadier, im Jahre 1983. Als Piper spielt Neil Dickie auf hohem Niveau, er entzieht sich aber lustvoll den traditionellen Formen der klassischen Dudelsackmusik.
Neil Dickie, 1957 in Glasgow geboren, startete seine Musikkarriere mit neun Jahren. Für den Dudelsack noch zu klein, spielte er die ersten drei Jahre nur auf dem Practice Chanter und eignete sich dabei von Anfang an eine hohe Präzision und Fingerfertigkeit an. Mit 15 Jahren wurde er Mitglied in der Knightswood Juvenile Pipe Band in Glasgow und nahm an ersten Dudelsackwettbewerben teil.
Neils Lehrer war Duncan Johnstone. Auf der Pipe lernte Neil vorerst nur fünf Stücke, denn alles, was er lernte, musste er auch niederschreiben können. Ein neues Tune durfte er erst in Angriff nehmen, wenn er die alten aus dem Gedächtnis korrekt aufschreiben konnte - ziemlich anspruchsvoll für einen Vierzehnjährigen. Duncan Johnstone liess seinen Schüler aber auch singen und komponieren. Er sei ein sehr inspirierender Tutor gewesen, sagt Neil Dickie. "Spielt deine Mutter Dudelsack?" soll Johnstone eines Tages gefragt haben. "Nein!" meinte Neil. "Gut. Dann spiel ihr eines deiner Stücke vor, und wenn sie es nachsingen kann, ist es ein gutes Stück!".
Neils Mutter muss viel gesungen haben, denn bereits als 26jähriger brachte Neil Dickie seine erste Musiksammlung heraus, welche auch eine Reihe von Eigenkompositionen enthielt: "First Book: A Collection of Bagpipe Music For All Stages".
Neil Dickie
Neil erhielt ein Stipendium in New Brunswick, Kanada. Dort lernte seine spätere Frau kennen und entschied, in Kanada zu bleiben. Neil Dickie arbeite in den folgenden Jahren mit verschiedenen kanadischen Pipe Bands zusammen und schuf sich bald einen Namen mit seinem völlig unkonventionellen Kompositionsstil.
Paradoxerweise wurden seine Tunes und seine Spielweise gerade über die traditionellen Piping Competitions erst populär gemacht: Nachdem die offiziellen Competition Tunes verklungen sind, spielen mancherorts die Teilnehmer am Ende eines langen Wettbewerbstages ein paar originelle Stücke, welche nicht auf der Wettbewerbsliste stehen. "Light music - as in light beer!" sagt Neil.
Bill Livingstone, ein Freund aus Ontario, meinte: "You should be playing that stuff in the kitchen - it's just kitchenpiping!"
So entstand der Sammelbegriff Kitchen Piping für einen völlig neuen Musikstil, welcher schnell Eingang in die Dudelsackszene fand. Vielleicht gerade weil dies Tunes von etablierten Spitzenspielern locker vorgetragen wurden.
The Rogues aus Houston, Tx.
Mit Kitchen Piping wird heute eine fröhliche und informelle Art des Dudelsackmusik bezeichnet. Damit sind weniger die Tunes selber gemeint - meist schnell gespielte Stücke wie Jigs oder fröhliche 2/4-Tunes - Clumsy Lover wird da und dort sogar als Reggae bezeichnet - als vielmehr die Art und Weise und in welcher Umgebung diese Stücke gespielt werden. Oft handelt es sich um das Üben oder Spielen von einfachen Melodien oder Rhythmen in einer entspannten alltäglichen Umgebung - zum Beispiel in der Küche. Der Fokus des Spielers liegt dabei nicht so sehr auf Technik und Präzision,als vielmer auf Spass und Freude am Musizieren, ohne Druck und oft auch ohne Zuhörer.
1st Bttn Scots Guards Pipes & Drums
Vor diesem Hintergrund schrieb Neil Dickie Stücke wie Kitchenpiper und eben, Clumsy Lover. Der Musikstil hat längst Eingang ins Repertoir etablierter Spieler und führender Bands gefunden. Genaus so wie auch heute noch solche Tunes bei Traditionalisten auf offene Ablehnung stossen.